Project Felix
Curated and organized by Alain Jenzer
Location: Köniz, Könizstrasse 161 (vor den Vidmarhallen), Bern / Switzerland
26. April - 15. Juni 2014
Der Gletscher lebt
Zur Intervention «vom Grunde losgerissen» von Gregor Graf
Die Gletscher schmelzen, und
weit und breit ist im Könizer Quartier Weissenstein/Neumatt kein
Gletscher zu sehen. Aber der Künstler Gregor Graf (*1976 in Wien, lebt
in Linz) hat den Gletscher entdeckt. Wer sein Werk anschaut, steht auf
Spuren des Gletschers, und wer sich umschaut, kann verarbeitete Spuren
des Gletschers entdecken. Das ist die eigentliche Geschichte, die
Gregor Graf mit seiner Kombination von Fotografie und Zeichnung
anschaulich macht, ohne die Geschichte explizit zu erzählen, ohne mit
den Plakaten in die Falle des Plakativen zu tappen, auch ohne eine Art
von didaktischem Schulwandbild zu zeigen. Er stellt nur fest. Er stellt
dar.
Kiesgrube Weissenstein
Ausgehend von der Geschichte
und der Begehung des Quartiers hat sich Gregor Graf in die Ästhetik der
ehemaligen Kiesgrube versetzt, die hier zwischen 1943 und 1973 von der
Firma Hunziker, Weissenstein, betrieben, später aufgefüllt und
schliesslich in den letzten Jahren bebaut wurde.
Ästhetik der Kiesgrube: Es
gilt wahrzunehmen, dass die geologisch-geografische Formation eine
Jahrtausende alte Geschichte hat. In der Region Bern, also wohl auch
hier im Weissenstein, vereinigten sich der gewaltige Rhonegletscher und
der kleinere Aaregletscher; hier ist Geschiebe aus dem Berner Oberland
mit Walliser Geschiebe vereinigt, vielleicht bildeten beide zusammen
die Moränen, die die Landschaft vor dem Eingriff der Menschen, aber
selbst bis heute geprägt haben. Weissensteiner Steine oder «Chempe»,
wie das im Berndeutschen ja heisst, haben ihre Verwandten in den Bergen.
Weiter interessierte sich der
Künstler für die räumlichen Prozesse, die mit der Entnahme von
Kies/Steinen/Chempe verbunden sind. Das Herausheben von Kies schafft
Negativformen, banal gesagt: Löcher. Mit dem herausgehobenen, vom Grund
losgerissenen Material wird Beton gemischt, mit dem Beton werden Häuser
gebaut, entstehen Positivformen. Im Rohbau sehen die Gebäude krud aus
wie Findlinge, atmen gewissermassen weiterhin Gletscherluft.
Gregor Graf interessiert sich
für architektonische Formen und hat in weiten Streifzügen die neue
Planung der Gemeinde Köniz kennen und schätzen gelernt. Seine
Intervention kann als Hommage an diese Planung gesehen werden, steht
jedoch in engem Zusammenhang mit anderen Werkgruppen von Graf. So hat
er 2008 in der Serie «Hidden Town» architektonische Situationen in
Linz, Warschau und London fotografiert, Situationen, die stark von der
Beschriftung mit Hinweistafeln, Reklamen, Firmenschildern geprägt sind.
Diese «literarischen» Elemente, hinter denen die Stadt zu verschwinden
droht, hat er anschliessend aus den Fotografien herausretouchiert. Weil
die Fotografien menschenleere Stadträume zeigen, sind Ansichten
geblieben, die uns unweigerlich nackt und seltsam fremd erscheinen: die
Stadt an sich.
2010 schliesslich hat Graf in
Moldawien eine fotografischen Recherche gemacht und dort bewusst
unscheinbare Architekturen und Raumsituationen aufgenommen. Das
Unscheinbare erscheint so unter der Hand ebenso Aufmerksamkeit zu
heischen wie jene Bauwerke, zu denen Touristen scharenweise pilgern.
Das ist mit dem
Weissensteingletscher und der Kiesgrube und dem gezeichneten Punktbau
und den vom Grund losgerissenen Kieselsteinen nicht anders.
Konrad Tobler
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2014